Gedanken zum 6. So nach Trinitatis von Pfarrerin Johanna Graeff

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Was macht einen Menschen eigentlich heilig?

Unsere alten Kirchen sind einem Heiligen geweiht – in Röthenbach dem Heiligen Wolfgang. Er soll Wunder getan haben, eine Quelle erweckt haben z.B. Andere Heilige haben Menschen von Krankheiten geheilt, sogar vom Tod wieder zurückgeholt. Und alle Heiligen waren besondere Menschen. Besonders fromm, besonders nahe an Gott.

 

Eine Heiligengeschichte finde ich auch im 5. Buch Mose (5. Mose 7, 6-12):  „6 Denn du bist ein heiliges Volk dem Herrn, deinem Gott. Dich hat der Herr, dein Gott, erwählt zum Volk des Eigentums aus allen Völkern, die auf Erden sind. 7 Nicht hat euch der Herr angenommen und euch erwählt, weil ihr größer wäret als alle Völker – denn du bist das kleinste unter allen Völkern –, sondern weil er euch geliebt hat und damit er seinen Eid hielte, den er euren Vätern geschworen hat. Darum hat der Herr euch herausgeführt mit mächtiger Hand und hat dich erlöst von der Knechtschaft, aus der Hand des Pharao, des Königs von Ägypten. 11 So halte nun die Gebote und Gesetze und Rechte, die ich dir heute gebiete, dass du danach tust. 12 …so wird der Herr, dein Gott, auch halten den Bund und die Barmherzigkeit, wie er deinen Vätern geschworen hat.

Mose hat ein abenteuerliches Leben geführt. Er war unter Lebensgefahr geboren, ausgesetztes Sklavenkind, Ziehkind am Königshof, Flucht, weil er sich nicht beherrschen konnte, Mensch mit Gottesvisionen, Held und Anführer wider Willen. Spannend, keine Frage. Aber „Heilig“? Nach unserem Verständnis eher nicht. „Charismatisch“, das wohl schon eher. Einer, der Gottes Botschaft so überzeugend rüber bringt, dass man ihm vertraut. Darum folgen ihm ja auch die Menschen, aus Ägypten, in die Wüste, auf den Weg in das versprochene Land.

Was werden sie wohl erwartet haben? Einen Spaziergang sicher nicht, dass es mühsam wird, war ihnen schon klar. Mehrfach erleben sie spektakuläre Rettungen, wo Gott sie aus höchster Gefahr holt. Und sie wandern, und wandern, und wandern…. Unzählige Irrwege später – und tatsächlich JAHRZEHNTE später – sind sie endlich am Ziel. Halt: FAST am Ziel.

Die, die damals ausgezogen sind – von denen ist wahrscheinlich ungefähr die Hälfte schon gar nicht mehr am Leben. Die, die nachgekommen sind, haben die Sklaverei nicht erlebt, haben den Auszug nicht erlebt, die Wunder, die Gott damals getan hat…. Das kennen sie alles nur aus Erzählungen.

„Gott, wer ist das? Ein fremdes Wesen aus einer fernen Zeit – hat der was mit uns zu tun?“ Ich bin sicher, dass sich viele das damals gedacht haben. Die Israeliten sind mutlos. Nach 40 Jahren – wohl auch kein Wunder.

Da holt Mose sie zusammen. Er weiß: Sie alle brauchen Mut. Darum erzählt er den Israeliten die ganze Geschichte noch mal. Wie Gott ihre Vorväter schon ausgesucht hat und wie er ihnen geholfen hat. Was das Volk beim Auszug aus Ägypten erlebt hat, wo Gott auch ihnen geholfen hat. Er wiederholt die Gebote, die Gott gegeben hat als Hilfe zum Leben. Er betont: Gott will bei euch bleiben. Auch hier stell ich mir wieder den Skeptiker vor, der fragt: „Und warum soll Gott das alles tun?“

Moses Antwort: Gott macht das, weil ihr ein HEILIGES VOLK seid. Weil Gott euch ausgesucht hat. Einfach so, weil er euch mag. Nicht, weil ihr so besonders toll seid, sondern weil ihr ihm etwas wert seid und er euch liebt. Ihr seid ein Heiliges Volk.

Ob die das geglaubt haben, damals? Ich weiß es nicht. Ich fühle mich da heftig an Teenager erinnert. Die glauben auch nicht unbedingt, dass ihre Eltern sie mögen, und schon gar nicht, dass das, was ihre Eltern tun, ihnen irgendwie gut tun soll. Was da hilft, als Eltern, das wissen Sie vermutlich aus Erfahrung: Geduld haben. Da bleiben. Und immer wieder sagen: Ich hab dich lieb. Nicht, weil du so großartig bist. Sondern weil du mein Kind bist. Einfach so.

Ihr seid ein Heiliges Volk.

Christen haben diese Bezeichnung für sich übernommen. In den Briefen im Neuen Testament kommt dieser Begriff mehrfach vor. Gott wählt (uns) Menschen. Jesus hat er auf die Erde geschickt, um dies noch mal klarer zu machen, als es schon war: Gott wählt (uns) Menschen, und zwar nicht, weil wir so großartig wären. Sondern weil er uns liebt. Unser Zeichen dafür ist die Taufe. Jesus hat seinen Jüngern den Auftrag gegeben: Geht in die Welt, erzählt allen Menschen von Gott. Wenn sie sich angesprochen fühlen, wenn sie mit Gott mitgehen wollen, dann tauft sie. Daran können sie selbst und alle anderen sehen, dass sie ausgewählt sind. Und ich verspreche euch eines: Ich werde bei euch bleiben, bis ans Ende der Welt.

Nun sind wir nicht nur 40 Jahre unterwegs. Es ist schon sehr viel länger her, seit Jesus auf der Welt war. Wir kennen genug Menschen, die genau so skeptisch fragen (oder tun es manchmal vielleicht auch selbst): „Ja, Gott, wo ist er denn, wer ist er denn? Er scheint gar so arg weit weg. Es scheint manchmal, dass er sich überhaupt nicht mehr für uns interessiert. Also warum sollen wir uns dann interessieren, warum sollen wir hören, was er uns sagt?“ Was hilft da?

Da hilft, diese Wort zu hören. „Denn du bist ein heiliges Volk dem Herrn, deinem Gott. Dich hat der Herr, dein Gott, erwählt!“ Dich, auch wenn du unsicher bist, auch wenn du manchmal deine ganz eigenen Wege gehst. Du gehörst zum heiligen Volk dazu. Deine Taufe ist das Zeichen dafür.

Es ist eine große Ehre, gewählt zu werden. Gott setzt ein hohes Vertrauen in diejenigen, die er wählt. Denn es ist nicht immer einfach, es kann auch wirklich mal durch die Wüste gehen. Aber er verspricht: „Ich bin da. Wenn du dich zu mir hältst, dann halte ich auch zu dir.“ Nehmen sie die Wahl an?

 

Ich wünsche Ihnen einen gesegneten Sonntag und eine Woche unter Gottes reichem Segen.

Ihre Pfarrerin Johanna Graeff